Darf ich Dich anrufen?
Wenn meine Mutter mir diesen Text per WhatsApp schickt, verdrehe ich kurz unwillkürlich die Augen und denke mir: was ist aus den Zeiten geworden, in denen das Telefon (oder heutzutage das Smartphone) ohne Vorwarnung geklingelt hat und man dran gegangen ist? Oder auch nicht, wenn man gerade keine Zeit oder schlicht keine Lust hatte, mit jemandem zu sprechen.
Das beinahe gleiche Szenario beobachte ich aktuell im Home Office. Kolleg:innen fragen per Chat an, ob ich für einen Sprachanruf über die gleiche App verfügbar wäre. Mein Status steht auf Grün, es ist weder Mittagspause noch vor oder nach den offiziellen Arbeitszeiten und offensichtlich bin ich am Rechner. Vor Teams & Co. hätten sie wahrscheinlich einfach zum Hörer gegriffen und auf gut Glück meine Nummer gewählt bzw. hätten mich an meinem Schreibtisch besucht.
Vielleicht bin ich altmodisch, aber ich würde nur bei sehr wenigen Menschen um die Erlaubnis bitten, sie anrufen zu dürfen.
Vielleicht mache ich aber auch nur den Fehler, von mir auf andere zu schließen. Wenn mein Handy auf Empfang ist, bin ich erreichbar. Und das mit Absicht. Im Kino oder zur Nachtruhe stelle ich den Flugmodus ein, zu anderen Zeiten bin ich durchaus in der Lage, einen Anruf zu ignorieren oder diesen kurz anzunehmen und mein Gegenüber darüber zu informieren, dass es aktuell nicht wirklich passt, ich mich aber umgehend melden werde.
Um nochmal auf die guten alten Zeiten zurück zu kommen: hat man früher Telefonanrufe per Brief oder Fax verabredet? Ich zumindest kann mich nicht daran erinnern.
Eventuell reagiere ich aber auch einfach etwas zu empfindlich, aber seitdem Gott und die Welt praktisch nur noch in geschriebenen Worten und Emojis kommuniziert, vermisse ich den ungeplanten verbalen Austausch sehr.